Das große Trinken – Das Geschäft mit dem Wasser

Das Thema Trinkwasser ist in aller Munde – und wie schön wäre es, wenn die Redensart auch Realität wäre. Kaum ein Thema polarisiert, verstört, rüttelt auf und lässt hitzige Diskussionen entfachen wie die Frage um die begrenzten (Trink-)Wasservorräte der Welt. Gerne wird der Néstlé-Konzern als der leibhaftige Teufel im weltweiten Machtspiel um das Wasser bemüht, doch der Großkonzern ist leider nicht der einzige, dessen Machenschaften zu denken geben. (Trink-)Wasser ist inzwischen ein Milliardengeschäft, das flüssige Gold droht zur mit allen Mitteln umkämpften, wertvollsten Ressource unseres Planeten zu werden und dass der (unkomplizierte!) Zugang zu sauberem Trinkwasser längst ein Privileg und kein Geburtsrecht ist, steht außer Frage.

Aus gesundheitlicher Sicht wäre die Entwicklung weg von zuckerhaltigen Softdrinks hin zu kalorienfreiem, reinen Wasser ja durchaus begrüßenswert. Der Boom um zuckerhaltige Softdrinks weicht immer mehr dem Höhenflug von Wasser – aber leider nicht in der Form von günstigem, umweltschonendem, einfach erhältlichem Leitungswasser. Und das liegt nicht daran, dass die Qualität von Leitungswasser das in unseren Breiten nicht zuließe. Ganz im Gegenteil. Kein anderes Nahrungsmittel unterliegt so strengen Kontrollen wie unser Trinkwasser. Nein, es muss „bottled water“ sein, abgefülltes Wasser. Und selbst wenn wir die riesigen, dabei entstehenden Mengen an umweltschädlichem Plastikmüll völlig außer Acht lassen: Obwohl das abgefüllte Wasser in manchen Tests sogar bezüglich Reinheit, Mineralgehalt und Unbedenklichkeit weitaus schlechter abschneidet als Leitungswasser wird munter weiter Mineralwasser (selbst stilles, ganz ohne Kohlensäure) gekauft. Versetzt mit allerlei Aromen und Zusätzen. Mit Sauerstoff angereichertes Wasser? Echt jetzt? Noch mehr O2 in H2O? Also quasi H2O2? Sie wissen schon dass Wasserstoffperoxid eine ätzende Säure ist und früher zum Blondieren von Haaren verwendet wurde?

Liegt es vielleicht am Mineralgehalt? Bietet das Mineralwasser in der Flasche so viel mehr Magnesium, Sulfate, Calcium und Co. dass sein Genuss unbestreitbar gesundheitsfördernd ist und es somit dem Wasser aus unseren Wasserleitungen weit überlegen ist? Selbst das Leitungswasser von Linz hat einer Studie zufolge wesentlich mehr Mineralstoffe als so manch teuer verkauftes Luxuswässerchen: https://diepresse.com/home/wirtschaft/economist/5442746/Mehr-Mineralstoffe-im-Leitungswasser-als-im-Mineralwasser

Und Linz ist jetzt nicht gerade berühmt für sein taufrisches Quellwasser direkt aus den Bergen.

Trotzdem setzt die Getränkeindustrie mit allerlei Wässerchen zu neuen Höhenflügen an und die Umsatzzahlen schnellen in schwindelerregende Höhen. Zu verdanken ist das Milliardengeschäft Mineralwasser der Marketing-Industrie. Die sorgt mit einem durchaus überzeugenden Gesamtpaket aus Image, Lifestyle und Emotion dafür, dass wir gerne, freiwillig und mit dem Gefühl, unserem Körper etwas Gutes zu tun, zum völlig überteuerten, neuen Luxusgetränk greifen. Das Ziel? Mehr Gesundheit, mehr Energie und vor allem mehr Lebensgefühl zu tanken, in der Hoffnung, uns dadurch in einen durchtrainierten, erfolgreichen, achtsamen, ewig jungen Millennial zu verwandeln.

Zu den absoluten Spitzenreitern zum Thema Wasser-Marketing gehören die Marken Evian, Fiji und Voss. Evian bringt seit 2014 „Limited Edition“ Glasflaschen heraus, die namhafte Designer wie Elie Saab, Alexander Wang oder Christian Lacroix – sonst eher für ihre Roben auf dem roten Teppich gefeiert – gestalten. Mit 3,95 Euro pro 750 ml sind die Flaschen vielleicht nicht ganz so teuer wie die Kleider… aber teuer genug. Fiji Water stammt vom Ende der Welt – mit dem entsprechenden Transportweg vom Ende der Welt. Und Voss schließlich überzeugt mit einem außergewöhnlich gelungenen Flaschen –Design und erweckt den Eindruck, es handle sich um Gletscherwasser. In Wirklichkeit wird gewöhnliches Grundwasser abgefüllt – dasselbe, das die Menschen in der norwegischen Provinz Aust-Agder für wenig Geld aus ihren Wasserleitungen trinken. Wer dafür gerne 1,99 Euro für 375 ml zahlt, ist selber schuld. Und es ist mir auch egal, dass Dwayne Johnson selbst für das norwegische Wässerchen wirbt.

Der Hype ums Wasser treibt ständig neue Blüten ­– es gibt bereits Ausbildungen zum Wassersommelier und entsprechende Wasser-Verkostungen. Demnächst gibt es in den Supermärkten dann vielleicht Barrique-gelagertes Mineralwasser, oder Wasser aus dem Eichenfass, man diskutiert über das Bukett verschiedener Grundwasser und die ideale Dekantier-Methode für Quellwasser. Wie ich das finde? Reichlich bitter im Abgang.

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